Vor ein paar Tagen hatte ich die Chance mir die Gemüseproduktion von einem bekannten Bio-Gemüse-Erzeuger unserer Region anzusehen. Da das aber eine private Führung war, nenne ich nicht den Namen und pixel auch alle Menschen, die sich auf ein Foto geschmuggelt haben. Ich selbst fotografiere, um das zu vermeiden, immer ohne Menschen im Bild, aber ich war so spät dran, dass ich meine Kamera nicht noch mal holen konnte, als ich merkte, dass ich sie nicht bei habe, denn sie lag noch im Garten.

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Hier wachsen gerade Endivien.

Ich habe mich jedenfalls sehr darauf gefreut und fand alles sehr interessant. Denn man hat ja seine eigenen Erfahrungen im Gemüseanbau und fragt sich, wie das im großen Stil gemacht wird, bzw. auch, wie groß dieser Stil eigentlich ist. Zudem kenne ich die Produkte dieses Betriebes schon so lange und habe sie so oft  im Biomarkt gekauft. Im Markt ist alles ein fertiges Produkt, der Produzent eine Marke, ein Teil unserer Konsum- und Wirtschaftswelt und wir sind entfremdet vom Herstellungsprozess all dieser Dinge. Wir leben in unserer kleinen eigenen Welt und all die Dinge, die wir brauchen, alles, was wir nicht selbst aus unserem Alltag kennen, findet gefühlt in einer fast anderen Welt statt.  Diesen Einblick zu kriegen, bringt diese Prozesse zurück in meine persönliche Welt und ich fühle mich wieder verbunden. Wenn ich jetzt eine Gemüsekiste im Markt sehe, habe ich Gesichter dazu, Bilder von der Landschaft, dem Dorf, dem Gewächshaus.

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Kohlrabi soweit das Auge reicht.

Angefangen hat die Tour mit einer Wanderung über die Freilandflächen, aber ich fange mit dem Gewächshaus an, weil das gerade besser bestellt ist. Die Masse an Gemüse ist schon beeindruckend. Dennoch war ich überrascht, dass der Betrieb mit so wenig Gewächshausfläche auskommt. Mein heimischer Gartenbaubetrieb hat größere Gewächshausflächen. Ich hätte gedacht sie wären 3 mal so groß bei dem Output.

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Im Jahr werden hier drei Erntedurchläufe erziehlt. Bestimmte Kulturen zu bestimmten Zeiten. Ich konnte mir nicht alle Folgen merken. Aber zuvor standen hier Tomaten und Gurken. Jetzt Feldsalat, Endivien, Kohlrabi und Stangensellerie. Ich fragte nach der Kulturzeit vom Sellerie, die beträgt in diesem Anbau 6 Wochen.

Das Gemüse kommt aus spezialisierten Anzuchtbetrieben in diesen Stiegen und wird dann eingepflanzt.

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Mir wurde was über die Bodenfruchtbarkeit erzählt und die Düngung und die Probleme, die sich daraus ergeben. Denn der Betrieb muss aufgrund der Verbandsvorschriften mit Mist düngen, aber die Pflanzen ziehen nur einseitig Nährstoffe aus dem gedüngten Boden. Die anderen nicht benötigten Nährstoffe reichern sich mit der Zeit an. Das ist ein Problem.

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Die “Gewächshauskatze”. Katzen finden wirklich immer ein warmes Plätzchen, auch wenn es nur das Gewächshaus ist . Die Katze hält die Mäuse vom Lager fern. Denn dort gibt es viel Stroh als Versteck und viel Futter.

Oben sieht man eine Beregnungsanlage, die bei Bedarf eingesetzt wird. Das Wasser ist regional bedingt sehr eisenhaltig und deshalb gibt es eine Enteisungsanlage, weil das Eisen im Wasser sonst die Sprühköpfe der Beregnung  zusetzt.

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Der Sellerie.

IMG_1534Ich habe den korrekten Namen für dieses Ding vergessen. Ich hätte gemeint es wäre die Heizung und diese Funktion erfüllt es auch teilweise, bis zu 10 Grad Minus Außentemperatur wird hier noch angebaut. Beim Verbrennen bildet das Gas aber vor allem CO2 und das wird für die Photosynthese benötigt. Quasi Luftdüngung.

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Weiter geht es in die Lager- und Packhalle. Hier werden die Ackerfrüchte gelagert und kommissioniert. Die Lagerkisten, hier mit Kartoffeln stehen auf einem Spaltboden. Durch die Spalten wird Luft geblasen von einer großen Belüftungsanlage, die in der Halle in einem kleinen Betonklotz versteckt ist. Sie zieht Luft an ( ganz schöner Sog) und verteilt die Luft per Gebläse durch die Spalten. So wird Feuchtigkeitsstau und Verschimmeln verhindert. Sehr ausgeklügelt, ich habe mich ja immer gefragt, wie die das schaffen, ihr Zeug zu lagern. Auch ganz spannend ist die Lagerung der Zwiebeln:

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Sie liegen (ich glaube auch auf den Lüftungs-Spaltböden) auf einem dicken Strohbett. Das Stroh reguliert die Feuchtigkeit und lässt auch die Luft zirkulieren. Aber ob das nur zum Abtrocknen nach der Ernte ist, oder ob die dauerhaft so lagern, habe ich nicht erfragt.

Weiter auf dem Weg durch die Halle findet sich der Packbereich. Hier werden die Gemüse in die handlichen grünen Kisten gepackt, die dann im Biomarkt in die Regale sortiert werden. Die Kisten haben immer ein Einsteck-Etikett, welches den Hersteller, das Gemüse und manchmal, wie bei Kartoffeln, auch die Sorte angibt.

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Ganz vorne steht eine kleine Waschstraße für das Wurzelgemüse. Hier in der Kiste befindet sich der Ausschuss. (Bruchware, Gemüse mit Fehlern, oder welche, die zu klein sind.) Da hab ich gleich mal herzhaft zugelangt und ein bisschen Ausschuss weg geknabbert. Das wird natürlich auch irgendwie noch verwertet, geht aber nicht in den Einzelhandel für den Endverbraucher.

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So stehen die Möhren und Pastinaken auf dem Acker. Diese hier sind schon überfällig. Wegen besonderen Umständen konnte nicht abgeerntet werden. Weil der Abverkauf nicht schnell genug ging oder der Boden zu nass war, um dort mit den Maschinen drauf zu fahren, obwohl hier per Hand geerntet wird. Aber die großen Erntekisten müssen ja abtransportiert werden. (Sieht man hier mittig im Hintergrund.) Ich habe auch wieder ein neues Wort gelernt: “überständig”, sind die Möhren, die zu lange auf dem Acker bleiben .IMG_1529

Die Möhren sind immer weiter gewachsen in der Zeit und deshalb nun zu groß. Ich mag ja große Möhren, muss man weniger schälen. Aber es entspricht nicht mehr der präferierten oder genormten Handelsgröße, was den Kilopreis verschlechtert und weniger Gewinn einfährt, so der Chef-Gemüsebauer. Dafür bringt die Handarbeit wieder Mehrgewinn, weil weniger Bruch beim Ernten als mit Maschinen entsteht. Ich lausche und staune.

Hier der Biobeweis: Eine Raupe des Schwalbenschwanzes nagt am Blattgrün. Die muss sich jetzt aber ran halten, wenn sie vor dem Frost noch was werden will.

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Jetzt wieder Möhrchen im Kühllager. Hier herrschen 5 Grad und die Kaltluft wird durch ein ziemlich Lautes etwas verteilt. Sehr unangenehm hier drinnen, aber gut für Porree, Grünkohl, Salat usw. Ich nage immer noch an den Bruch-Möhren.

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Und nun kommt der Kawaii-Faktor:

IMG_20171031_1513357Der Betrieb produziert nach Demeter-Richtlinien. Diese sehen eine obligatorische Tierhaltung für landwirtschaftliche Betriebe oder zumindest eine Kooperation mit Austausch von Futter und Mist vor, denn gedüngt soll mit Mist werden. Deshalb gehört zum Betrieb auch eine Molkerei mit entsprechendem Viehbestand. Den haben wir uns heute angesehen, vor allem die Kälbchen, Färsen, und Jungbullen. Die Milchkühe haben sich rar gemacht.

Noch nicht besonders alt: Entwöhnte Kälbchen in ihren Kälberiglus, noch mit Nabelschnur, ängstlich mit großen Kulleraugen.  Ich recherchiere erst mal die Funktion dieser Iglus. Eine Kuh-Hütte, ist ja naheliegend. Brutal dieses Kindchenschema, mein Fürsorgetrieb bricht aus.

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Ich lese:

Die Kälberiglus sollen  als Schutz- und Rückzugsort für das Kalb dienen, da die Kälberaufzucht  meist ohne das Muttertier stattfindet. (Tausche Mutti gegen Iglu?) Schon kurz nach der Geburt wird das neugeborene Kalb von der Mutter getrennt. Die frühe Trennung hat gesundheitliche und psychische Beweggründe. Ist das Kalb zu lange bei der Mutterkuh, baut sich eine sehr enge Bindung auf. Werden Mutterkuh und Kalb dann getrennt, bedeutet das für beide Seiten enormen Stress, was sogar in Futterverweigerung enden kann.

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Oha. Naja man kann sich alles zurecht reden. Der Beweggrund, dass die Kälber nicht die Milch ihrer Mütter säugen sollen ist rein wirtschaftlicher Natur. Alles was auf diese Entscheidung folgt ist nur noch Optimierung der Konsequenzen für die Tiere. Ich bin für ammen- oder muttergebundene Kälberaufzucht. Ach, jetzt bin ich traurig. Vielleicht hätte ich mir die Rinder nicht ansehen sollen. Gemüse macht mich nicht traurig.

Weiter Vorne gibt es noch eine Kälbergruppe, die die Besucher anfassen dürfen, sie zieht die Kinder magisch an. Ist ja alles so “süß”, während im Hauptstall von großen, hörnigen Kühen ununterbrochen defäkiert wird und sie sich nur um die Massagebürste streiten. Die Kälber sehen auch schon ein bisschen glücklicher mit ihrer Situation aus, als die ganz Kleinen. Immerhin stehen sie jetzt in einer Peer-Group:-)

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Das hier scheinen junge Bullen zu werden, hoppeln und rammeln in der Gegend rum und  kabbeln sich immer wieder.

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Bye, Bye Baby-Kühe.